Fahrtbericht Tour 3

28.03.2022

Nun schon zum dritten Mal versammeln wir uns Freitag abends an unserem üblichen Treffpunkt in Stuttgart, der für einige aus unserem Team jetzt schon wie eine zweite Heimat wirkt. Gemeinsam sortierten wir die Berge an gesammelten Sachspenden und beschrifteten die Kisten auf Englisch und Ukrainisch. Dabei half uns eine befreundete Ukrainerin, die wir auf unserer letzten Tour mit nach Deutschland brachten, und die sich für diese Tour entschlossen hat, sich unserem Team als Vermittlerin anzuschließen.  

Nachdem wir die Güter auf den Siebensitzer und die drei Neunsitzer (die uns freundlicherweise vom CVJM-Göppingen, vom Stadtjugendring (SJR) Fellbach und von Bosch zur Verfügung gestellt bzw. vermietet wurden) verladen haben, starteten wir auch schon erneut Richtung Warschau. Auf dem Weg sammelten wir noch einen weiteren neunsitzigen Transporter (danke OBB Osterburken) ein, und anschließen wurde eine weitere Nacht auf der Autobahn verbracht. 

Auf den polnischen Straßen zeigte sich uns ein herzerwärmendes Bild: Wir begegneten immer wieder weiteren bis unters Dach mit Hilfsgütern vollgestopften Transportern mit ukrainischen Flaggen, die offensichtlich dieselbe Mission haben, wie wir. Teilweise in viel größeren Konvois, teilweise aus so weit entfernten Ländern wie Portugal. Es ist wunderschön zu sehen, wie Menschen in einer so schrecklichen Situation zusammenhalten können!

In Warschau haben wir alle Hilfsgüter in den OBB-Transporter und den SJR-Neunsitzer geladen, sodass diese weiter nach Chelm an die polnisch-ukrainische Grenze fahren konnten, um die Güter bei dem Speditionsunternehmen abzugeben, mit dem Humanist Poltava zusammenarbeitet. Auf dem Rückweg nahmen wir eine Frau direkt aus Chelm und eine weitere Familie aus Warschau mit zu unserem Zwischenstopp in Breslau.

Für die drei weiteren Vans war der nächste halt: Warschau Hauptbahnhof (Dworzec Centralny). Hier konnten wir auf die Erfahrungen der Vorwoche setzen und wussten, was zu tun ist: Registrieren, um die sog. "gelben Volunteers Westen" zu erhalten, die für Vertrauen und eine unkomplizierte Kommunikation sorgen. Auch diese Woche war die Atmosphäre bedrückend, viele verzweifelte Menschen, die Hilfe suchten. Auf der anderen Seite war die Solidarität auch am Bahnhof unfassbar - neben zahlreichen Volunteers, die auch für das Wohlergehen aller Flüchtlinge gesorgt haben, haben u.a. Mobilfunkanbieter Stände errichtet, an denen Ukrainer kostenlose SIM-Karten erhalten konnten.

Unser Ziel war es, schnellstmöglich 18 Personen zu finden, die gerne mit uns nach Deutschland fahren. Hierzu haben wir unsere Westen präpariert und einen Zettel mit der Aufschrift "Ziel: Stuttgart, Fahrt und Unterkunft in Gastfamilien sichergestellt" auf Ukrainisch angebracht. Darüber hinaus haben uns drei Muttersprachler unterstützt und proaktiv Menschen angesprochen. Obwohl es anfänglich schien, dass wir nicht alle Plätze belegt bekommen, hat sich dies schlagartig geändert: Auf einmal hat uns eine Frau auf unser Schild angesprochen und meinte, "wir sind zu neunt. Wir sind 3 Schwestern mit jeweils 2 Kindern und wollen mit Euch nach Stuttgart". Schnell wurde uns klar, dass diese 9 Personen definitiv mitfahren möchten, denn nach wenigen Minuten wurden wir gefragt, ob wir auf die Kinder aufpassen könnten, damit die Mütter das Gepäck holen können. Ein Emotionen Moment erwartete uns, als die drei Schwestern mit dem ganzen Gepäck zurückkamen: Es waren einige wenige kleinere Gepäckstücke für 9 Personen - ein schlechtes Gewissen überkam uns, da wir für 48 Stunden gefühlt mehr dabeihatten, als sie.

Die Entscheidung der drei Schwestern führte praktisch zu einem Dominoeffekt: Auf einmal wurden mehr und mehr Personen auf uns aufmerksam und nach gefühlt wenigen Momenten stand fest: wir haben alle Plätze belegt

Nächster Stopp also: Breslau. Aber nicht für alle 3 Vans. Aufgrund zahlreicher Anfragen für den Folgetag haben wir flexibel reagiert und einen Van in Warschau bei einer Bekannten spontan übernachten lassen.

Nachdem wir das Gepäck verladen und die Kinder in Kindersitzen und Gurten sicher in den Vans platziert hatten, startete die Fahrt aus der Hauptstadt nach Breslau. Diese verlief zunächst sehr ruhig, ohne viele Worte - dennoch verspürte man auf der einen Seite die Freude der Familien, dass es für sie nach Deutschland geht, auf der anderen Seite merkte man jedoch eine leichte Zurückhaltung. Nachdem wir auf die Autobahn aufgefahren sind hat sich dies jedoch mit der simplen Frage "wie heißt du" schlagartig geändert. Obwohl wir keine gemeinsame Sprache sprachen, konnten wir uns mit einem Mix aus Ukrainisch, Russisch, Polnisch, Deutsch und Englisch sehr gut unterhalten. Wenn es mal nicht weiter ging, hat der "Google Übersetzer" ausgeholfen. Es waren spannende Gespräche, die Einblicke in die grausamen Erlebnisse Zuhause und die Flucht nach Polen gaben. Umso glücklicher waren wir, dass zumindest für diese Familien diese schreckliche Zeit ein Ende gefunden hat.

In der Unterkunft in Breslau konnten Helfer und Hilfe-Suchende zunächst endlich einmal herunterkommen. Wir wurden wie in der Woche zuvor von freundlichen Helfern vor Ort mit warmen Mahlzeiten und Feldbetten versorgt. Jedoch gab es auch in dieser Nacht wie in der Woche zuvor einen medizinischen Notfall: ein weiterer Junge musste wegen einem schweren Magen-Darm-Infekt ins Krankhaus. Die Behandlung erfolgte unkompliziert und kostenlos. Ihm ging es am Morgen wieder besser, jedoch nicht gut genug, um die Fahrt anzutreten. Also blieb leider erneut eine Familie in Breslau zurück.

Der Rest der Truppe kann die Rückfahrt jedoch erholt und gestärkt antreten. Wir sammelten noch eine weitere Mutter mit ihrem Sohn in Legnica auf, und die anschließende Fahrt verlief glücklicherweise ruhig. Auch deutschen Straßen war die Solidarität spürbar: es begegneten uns wieder Transporter - diesmal (wie unsere) besetzt mit Menschen.

Und nachdem wir die letzte Etappe der Fahrt hinter uns gebracht haben, konnten wir sonntagabends alle Ukrainer sicher bei ihren Gastfamilien unterbringen!