Mukachevo Tour 16

12.11.2022

Ende Oktober wurde es dann endlich ernst. Die Spenden aus der Sammelaktion der Zeppelinschule wurden am 26. Oktober gemeinsam verpackt. Über vier Stunden lang wurden in der Schule Kisten mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Spielsachen gepackt und die zahlreichen Kleiderspenden sortiert. Dabei wurden wir tatkräftig von Helferinnen aus dem Kollegium unterstützt. 

Am Tag darauf durften wir wieder den Transporter vom Autohaus Weller in Bietigheim-Bissingen abholen und beladen. Auch hier haben sich einige Mitglieder des Kollegiums bereit erklärt, uns zu helfen. Beim Beladen wurde dann klar, dass die Zeppelinschule ihr selbstgenanntes Ziel erfüllen konnte. Ein ganzer Transporter war bis oben hin mit den Spenden gefüllt.Nach kurzem Überlegen stellten wir aber fest, dass wir die Spenden aufteilen müssen, um so noch mehr Lebensmittel mitnehmen zu können. Es wurde beschlossen, einen Teil der Spenden im Lager in Göppingen abzuladen, um Platz für die Suppen der Tressbrüder zu schaffen, die uns erneut mit einer großzügigen Spende unterstützen wollten. Die restlichen Kartons aus der Zeppelinschule werden bei der nächsten Tour nach Mukatschewe mitgenommen.

So starteten wir, Doro und Patric, am 28.10. am frühen Morgen unsere Reise Richtung Ukraine. Nach einem kurzen Stopp in Bietigheim, um ein kleines Problem am Transporter zu beheben, ging es nach Göppingen Uhingen zum Umladen. An dieser Stelle möchten wir uns nochmal ganz herzlich bei Weller Automobile bedanken, die uns trotz vollem Terminkalender noch so kurzfristig reinschieben konnten, damit wir unseren Zeitplan einhalten konnten! Im Anschluss daran fuhren wir auf die schwäbische Alb zu den Tressbrüdern. Dort haben wir 2 Paletten Suppen eingeladen. Hier haben wir darauf geachtet, auch wirklich den letzten Platz im Auto auszufüllen. Nachdem wir die Suppen eingeladen hatten, ging es richtig los. Die Tressbrüder hätten uns sehr gerne noch mehr mitgegeben aber es hat vom Platz her leider nichts mehr in den Weller Transporter gepasst.

Vor uns lagen nun 1120 km und circa 13 Stunden Fahrt bis zum Treffpunkt an der ukrainischen Grenze. Dort waren am nächsten Morgen um 5 Uhr mit Martin und Jana verabredet, die bereits am Tag zuvor mit dem kostenlos geliehenen Bus von CarlStahl in Süßen gestartet waren und Gewichtsdecken der Firma Matheis, Medikamente sowie Spielzeuge und Lebensmittel für das Waisenhaus in Mukatschewe transportiert haben.
Die zahlreichen Staus im Großraum München und der Ferienverkehr haben uns viel Zeit (und Nerven) gekostet. Nach einer durchgefahrenen Nacht durch Österreich und Ungarn sind wir aber pünktlich am Treffpunkt angelangt. Von dort aus ging es gemeinsam weiter Richtung Ukraine. Nach einer kurzen Fahrt kamen wir gegen 6 Uhr morgens am Grenzübergang "Luzhanka" an. Da wir von den vergangenen Fahrten bereits gehört haben, dass dieser Grenzübergang immer für eine Überraschung gut ist, waren wir dementsprechend nervös. Auf ungarischer Seite gab es jedoch dieses Mal keine Probleme und nach circa 30 Minuten hatten beide Transporter die Grenze passiert. Am ukrainischen Grenzübergang angekommen, wurden wir direkt von Sergej in Empfang genommen, der sich schon im Vorfeld um die Papiere für den Zoll gekümmert hatte. Leider mussten wir schnell feststellen, dass der ukrainische Zoll gezwungen war, seine Kontrollen zu verschärfen. In der Vergangenheit müssen wohl einige Menschen statt humanitärer Hilfe, Schmuggelware über die Grenze gebracht haben. Es ist immer wieder traurig zu sehen, wie manche Menschen sich versuchen, am Krieg zu bereichern... Der Zoll hatte bei unseren Fahrzeugen jedoch nichts zu beanstanden und wir durften nach circa 3,5 Stunden passieren.  

Wir waren alle erleichtert und freuten uns, nach über 26 Stunden Fahrt nun fast am Ziel zu sein. Während der Fahrt nach Mukatschewe fielen uns direkt die unzähligen ukrainischen Flaggen auf, die den Wegesrand und die Gebäude schmückten. Die Liebe und der Stolz auf Ihr Land ist bei den Ukrainern immer noch sehr groß. Nach circa 50 Minuten kamen wir in Mukatschewe an. 

Der erste Stopp war eine Anlaufstelle für Flüchtlinge. Dort wurden wir herzlich von den Menschen vor Ort empfangen und direkt mit Borschtsch und Kaffee versorgt. Dort, mitten in Mukatschewe, können die Flüchtlinge einmal am Tag eine warme Mahlzeit essen sowie Lebensmittel, Babynahrung und Hygieneartikel abholen. Wir haben aber in unserer kurzen Zeit dort erlebt, dass dieser Ort für die Menschen noch viel mehr bedeutet, als nur eine Möglichkeit, um an Lebensmittel und Hygieneartikel zu kommen. Wir haben gesehen, wie die Leute sich austauschen und sich trösten. Einen besonders emotionalen Moment erlebten wir im ersten Stock des Gebäudes. Hier trifft sich täglich eine Gruppe von Frauen, die gemeinsam aus Kleiderspenden Tarnnetze knüpfen. Diese gehen direkt an die Front und helfen den Soldaten dort, nicht entdeckt zu werden. Gabi, Sergejs Frau, erzählt uns, dass für die Frauen, die teilweise aus Mariupol, Charkiw oder Cherson geflohen sind, das tägliche Netze knüpfen wie eine Therapie ist. Die Frauen bekommen so eine Aufgabe und unterstützen so ihre Männer oder Söhne, die gerade an der Front kämpfen. Die Frauen freuen sich über die Unterstützung aus Deutschland und zeigen uns direkt, wie sie die Netze knüpfen. Nach einer kurzen Anleitung waren wir direkt mittendrin und helfen beim Knüpfen. Kurze Zeit später stieß ein Akkordeonspieler zu uns, der ebenfalls geflohen war. Er stimmte unter anderem die ukrainische Nationalhymne und andere Volkslieder an. So sangen die Frauen bei Ihrer Arbeit, manche weinten, manche lachten. In dieser Situation war der Krieg auf einmal so nah. Dieser Moment wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Nachdem wir an diesem Ort Hygieneartikel, Windeln und die Suppenspenden der Tressbrüder abgeladen haben, ging unsere Reise weiter zum Waisenhaus. Das liegt circa 80 Kilometer von Mukatschewe entfernt, unmittelbar bei der slowakischen Grenze.

Dort angekommen hat uns eine der insgesamt 3 Gruppen in Empfang genommen. Circa 35-40 Kinder standen winkend auf dem Außengelände und rannten direkt zum Transporter. Im Nu waren wir umringt von den Kindern, die wir direkt mit Süßigkeiten und den Spielzeugen für draußen versorgten. Alle anderen Spenden wie Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und die Geschenkkisten der Zeppelinschule wurden erst einmal nach drinnen gebracht. Die Erzieherinnen kümmern sich um eine gerechte Verteilung der Geschenke, sodass unter den Kindern kein Streit entsteht. Die Geschenke und selbst gemalten Bilder aus der Zeppelinschule wurden dort sehr wertgeschätzt. Die Erzieherinnen waren sehr bewegt von dem Gedanken, dass so viele Kinder in Deutschland Päckchen für die Ukraine gepackt haben. Auch die Kinder hatten für uns etwas vorbereitet. Wir wurden mit einem selbstgebackenen Kuchen überrascht und die Kinder haben für uns gesungen und getanzt. Im Anschluss daran haben wir mit den Kindern noch gespielt. Die Sprachbarrieren standen uns dabei nicht im Weg. Wir haben Seifenblasen gemacht, Luftballons aufgepustet und Klatschspiele gespielt. Die Kinder waren uns gegenüber sehr offen und anhänglich. Umso schwerer fiel es uns, nach circa 2 Stunden wir wieder aufzubrechen.

Auf der Fahrt zurück nach Mukatschewe versuchten wir beide die Eindrücke vor Ort zu ordnen. Wir haben viele persönliche Schicksale erfahren, die für uns unvorstellbar sind. Ein anderes Mädchen, keine 2 Jahre alt, wurde von ihrer Mutter verkauft, da sie kein Geld mehr hatte. Ein anderes Mädchen wurde eine Woche nach einem russischen Luftangriff in einer Wohnung gefunden. Beide Elternteile sind dabei ums Leben gekommen. Wir haben aber neben all dem Leid gemerkt, dass schon sehr viel Hilfe bei den Kindern angekommen ist. Der Umgang mit den Erzieherinnen dort war sehr liebevoll und man merkt, wie sie versuchen, die Räumlichkeiten kindgerecht zu gestalten. Das Waisenhaus befindet sich in einem ehemaligen sowjetischen Ferienlager. Die Gebäude standen lange Zeit leer und werden erst seit Beginn des Krieges wieder genutzt. Die Kinder haben eine große Außenanlage zum Spielen und einen Spielplatz auf dem Gelände. Trotzdem sind die Umstände dort schlecht. Die Räumlichkeiten können schlecht geheizt werden und die Räume sind häufig feucht. Der Strom fällt aus und ist für mehrere Tage weg. Die Sanitäranlagen sind katastrophal. Insgesamt schlafen 18 Kinder in einem Raum, die nur nach Geschlechtern getrennt sind. Es ist kalt und viele Kinder husten. Durch die Lebensmittelspenden können die Kinder eine warme Mahlzeit am Tag essen, das Abendessen besteht jedoch häufig nur aus Brei. Wir können nun also noch besser abschätzen, was vor Ort benötigt wird und wie wir das Waisenhaus gezielt unterstützen können.

Nach einer Stunde Fahrt waren wir wieder in Mukatschewe. Unser ursprünglicher Plan direkt wieder über die Grenze zu fahren, war nicht mehr machbar. Es war mittlerweile nach 9 Uhr abends und der Tag hat uns insbesondere emotional geschafft. Nach einer kurzen Nacht im Hostel brachen wir gegen 4 Uhr morgens wieder auf. Die Fahrt zur Grenze verlief ohne Probleme, war jedoch gespenstisch. Um Strom zu sparen sind nachts sämtliche Laternen ausgeschaltet. Dieses Mal gab es keine Probleme am Grenzübergang, sodass wir nach kurzer Zeit wieder an dem Rastplatz in Ungarn waren, an dem wir 24 Stunden zuvor gestartet sind. An dieser Stelle haben wir uns auch von Martin und Jana verabschiedet, die von dort aus auch zurück nach Deutschland gefahren sind. 

Die Rückfahrt nach Deutschland verlief reibungslos. Gegen 19 Uhr am Sonntagabend haben wir unseren Transporter beim Autohaus Weller in Bietigheim-Bissingen abgegeben und um 20.30 Uhr waren wir zurück in Römerberg. Es war eine anstrengende Fahrt, körperlich aber auch emotional. Der Krieg und das Leid, das er über die Menschen bringt, war auf einmal unheimlich nah.

Aber wir haben gesehen, dass unsere Hilfe ankommt und dort einen großen Unterschied machen kann. Wir haben die Tresssuppen abgeliefert, von denen wir wissen, dass sie bereits an Bedürftige verteilt wurden. Wir haben Frauen gesehen, die unsere Windelpakete mitgenommen haben, nur Minuten nachdem wir sie dort abgeliefert haben. Wir haben die Kinder im Waisenhaus gesehen, die glücklich mit ihren neuen Rollern über die Wege flitzen. Im Gruppenraum im Waisenhaus steht nun eine Spielküche samt Zubehör, mit der die Kinder spielen können. Daran möchten wir anknüpfen. Auch in Zukunft wollen wir, mit Ihrer Hilfe, unter anderem Mukatschewe und das Waisenhaus unterstützen. Schon jetzt überlegen wir, wie wir die Kinder im Waisenhaus zu Weihnachten überraschen können. 

Doro Schäfer & Patric Wegner aus Römerberg